Ende der Sümpfung am 09.04.2020

Mühlenbach um 1912, Gemälde im Königshof Erwitte

Die BG -Ratsmitglieder (v.l.) Lothar Strauch und Karl Dietz vor dem ausgetrockneten Mühlenbach 2006

Idyllisches Erwitte- Postkarte um 1900, die Mühlenbach an der Lakenkuhle zeigt. Er floss damals mitten durch den Ort.

Die Firma Dykerhoff, die jetzige Eigentümerin des stillgelegten Zementwerkes Seibel & Söhne, teilte mit, dass die „Sümpfung“ zur Wasserspeisung des Mühlenbachs ab dem 09.04.2020 eingestellt wird. Wir als Bürgergemeinschaft sind überrascht und besorgt. *

Überrascht, weil wir davon ausgegangen sind, dass die Pumpen erst Mitte bzw.Ende des Jahres abgestellt würden.

Besorgt, weil wir befürchten, dass der Mühlenbach austrocknet, weil die natürlichen Quellen durch die fortwährende Tiefergrabung einiger Zementwerke  nicht mehr schütten. Die Bürgergemeinschaft hat seit Jahren vor dieser Situation gewarnt. Leider haben bisher die letzten beiden Bürgermeister und die anderen Ratsfraktionen diese Warnungen ignoriert.

Aus der Stadtverwaltung ist die Hoffnung zu hören, dass nach den reichlichen Regenfällen der letzten Wochen die natürlichen Quellen auch ohne Sümpfung weiter sprudeln. Ein von der BG vorgeschlagenes Wassergutachten zu diesem Zweck wurde nicht durchgeführt.

Wenn man sich erinnert, dass im letzten Jahr 2019 der Bach kein Wasser führte, als probeweise die Pumpen abgestellt wurden, ist man eher skeptisch.

  • Sümpfung bedeutet, dass das durch die Grabungen der Zementindustrie an die Oberfläche austretende Grundwasser durch Pumpen abgesaugt und in den Mühlenbach geleitet wird. 

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Im Folgenden haben wir zur Wissensvertiefung auszugsweise einige Texte zusammengestellt, die deutlich machen, dass uns das Thema seit Jahren am Herzen liegt.

Pressemitteilung der BG –Erwitte                                      06.06.2010

Bürgergemeinschaft: Man darf uns das Wasser abgraben. So kann man die Genehmigung des Kreises Soest (Untere Wasserbehörde) offenbar verstehen, die der Firma Seibel-Söhne eine Tiefergrabung unter der Grundwasserlinie erlaubt.  Die Genehmigung wurde bereits im Amtsblatt Erwitte veröffentlicht. Wir als Bürgergemeinschaft (BG) bedauern diese Entscheidung zutiefst, denn die BG-Erwitte hatte als einzige Ratsfraktion begründet Widerspruch beim Kreis Soest eingelegt. Leider ist das nunmehr die zweite Genehmigung dieser Art und es ist eine Frage der Zeit bis weitere Begehrlichkeiten entstehen und genehmigt werden. Eine wirtschaftliche Notwendigkeit besteht nicht, da insgesamt genügend Flächen zum Kalksteinabbau zur Verfügung stehen, auch wenn nicht unter die Grundwasserlinie gegraben wird.

In der letzten Ratssitzung stellte der BG -Ratsherr Karl Dietz folgende Anfrage zum Mühlenbach:  Im Planungs-und Gestaltungsausschuss vom 14. April wurde einstimmig beschlossen, dass der Mühlenbach im „Erwitter Bruch“ mit Fördermitteln renaturiert  werden soll. Warum wird eine Renaturierung nicht vom Anfang bis zum Ende des Mühlenbaches  in Betracht gezogen?  Zudem stellt sich die Frage, wie man mit dieser Genehmigung, weiterhin im Grundwasserbereich Stein abbauen zu dürfen umgeht, mit der Konsequenz, dass der Erwitter Mühlenbach nur durch das Sümpfen/Abpumpen von Grundwasser aus dem Steinbruch Seibel & Söhne künstlich am Leben gehalten wird, ansonsten aber trockenfällt ?  Ist eine Renaturierung unter diesen Umständen  überhaupt noch  sinnvoll? Hat die Verwaltung einen Plan- B, sollten die Pumpen mal abgeschaltet werden/werden/müssen? Gibt es Vorkehrungen, hinsichtlich eines möglichen Versiegens der einzigen noch laufenden Quelle am Schloss und deren Auswirkungen für die Stabilität des Schlosses?

Die Antworten der Verwaltung und des Bürgermeisters waren eher schwach. Der Hinweis auf die zukünftige „Erwitter Senke“ und laufenden Gesprächen mit der Zementindustrie ist eine Vertröstung auf ein Konzept, das noch völlig unkonkret ist. Die Antwort von Herrn Bürgermeister Wessel zum Schloss  ist aufschlussreich und merkwürdig zugleich. Er teile die Befürchtungen zur möglichen Gefährdung der Stabilität des Schlosses, das auf Eichenpfählen gebaut wurde, die von unten immer nass sein müssen. Warum, so fragen wir uns, hat die Verwaltung sich dann nicht gegen die Tiefergrabung  gewehrt ?  Im Gegenteil, die Verwaltung und die Ratsmehrheit aus CDU/FDP hat in ihrer Stellungnahme zum neuen Regionalplan den Passagen zum Wasserschutz widersprochen mit dem Argument „ dass für die heimische Rohstoffindustrie dann ein immenser Abbauverlust  entstünde“.

Pressemitteilung der BG –Erwitte                                                19.11.06

Bürgergemeinschaft: Die BG –Erwitte lädt alle interessierten Bürgerinnen und Bürger zu einer Quellenwanderung  durch Erwitte ein. In dieser besonderen Stadtführung erkunden wir mit dem Heimatforscher Willi Mues die Quellen auf dem Erwitter Stadtgebiet. Termin: Samstag, 25.11.06, 15.30 Uhr , Treffpunkt Mühlenteich (Siehe www.bg-erwitte.de)

Quellen gab bzw gibt es in der Lakenkuhle sowie am Schnittpunkt Reddagstr./Schillerstraße, am nördlichen Marktrand (hier war auch in trockenen Sommern laut Überlieferung immer Wasser)  sowie im Pfarrgarten hinter der Kirche. Von hier floss das Wasser in den Mühlenbach – wurde gestaut zum Betrieb der Mühle und floss weiter zur östlichen Seite des Schlosses, wo weitere Quellen hinzu kamen, bis der Mühlenbach nördlich durch das Bruchgebiet floss und kurz vor Lippstadt an der Steinernen Brücke (Hist. Punkt, Gerichtsstätte) in die Gieseler mündete. Das Schwimmbad wurde aus diesen Quellen gefüllt.

Die Wanderung steht in einem thematischen Zusammenhang mit den politischen Aktivitäten der BG –Erwitte zum Trinkwasser und den Ursachen des im Herbst trockengefallenen Mühlenteiches.

Pressemitteilung Bürgergemeinschaft (BG-Erwitte)  

20.10.2006

Mögliche Ursachen für die Austrocknung des Mühlenteiches

 

Die BG begrüßt den Antrag der Ortsvorsteherin das Thema der wiederholten Austrocknung des Mühlenteiches auf die Tagesordnung des nächsten Umweltausschusses zu setzen. Allerdings wird der Teich nicht mit Wasser aus den Steinbrüchen versorgt, wie Frau Römer behauptete. Die BG- Mitglieder Lothar Strauch und Karl Dietz gingen den möglichen Gründen für das wiederholte Austrocknen des Mühlenteiches nach und wurden fündig.

Sie befragten Herrn Hoffmann vom städtischen Umweltamt und nahmen sich die Akten vor.

Seit dem Jahr 2000 erfolgen Abgrabungen durch die Firma Miebach (Wittekind –Zement) unter der Grundwasserlinie und seit dieser Zeit fällt der Mühlenbach immer wieder trocken.. Diese Abgrabungen wurden vom damaligen Rat genehmigt.

Im Juli 2006 hat nun die Firma Miebach einen erneuten Antrag beim Kreis Soest auf Abgrabung  unter die Grundwasserlinie hauptsächlich zur Schottergewinnung gestellt (Amtsblatt Erwitte Nr.11). In diesem Zusammenhang wurde eine Umweltverträglichkeitsstudie und ein hydrogeologisches Gutachten erstellt, die sich nach Ansicht der BG teilweise widersprechen. Das von der Firma Miebach beauftragte hydrogeologische Gutachten kommt zwar zur Schlussfolgerung, dass das Vorhaben  keine nennenswerte Grundwassergefährdung zur Folge hätte, aber laut der öffentlichen  Umweltverträglichkeitsstudie „können Wechselwirkungen bzw Auswirkungen auf den Grundwasserhaushalt nicht ausgeschlossen werden. Insbesondere für die Teilfunktionen Grundwasserneubildung und quantitatives Grundwasserdargebot sind negative Auswirkungen zu erwarten. Eine Verringerung der Grundwasserneubildungsrate bzw ein hohes Risiko für diese Funktion ergibt sich durch den geplanten Abbau bis in den Grundwasserbereich und die daraus resultierende Schaffung von (temporären) offenen Wasserflächen.“ Das Risiko wird als mittel bis hoch eingestuft.

Die BG- Erwitte beabsichtigt daher eine schriftliche Einwendung gegen das Vorhaben beim Kreis Soest einzureichen. Der BG –Vorsitzende Lothar Strauch betonte, dass man sich seitens der BG Sorgen um die Quellen der Stadt einschließlich des Wasserwerkes Eikeloh und des geplanten Heilquellenschutzgebietes Bad Westernkotten mache. Selbstverständlich gäbe es möglicherweise auch andere Ursachen wie der trockene Sommer und die Klimaveränderung, die zusammen wirken. „Wir sind prinzipiell nicht gegen die Zementindustrie, aber zum Wohle der Bürger muss jedes Risiko ausgeschlossen werden.“

Pressemtteilung  BG -Fraktion 

01.09.2019

BG-Fraktion: Steinabbau kontra Trink- und Quellwasser

Aus der Sicht der BG –Fraktion Erwitte ist die von der Firma Wittekind beantragte Erweiterung und der Betrieb eines ca. 36.5 ha großen Steinbruchs im Bereich zwischen A 44 und Pöppelsche in Erwitte  äußerst problematisch bezüglich der Trinkwassergewinnung in Eikeloh, den Quellen des Mühlenbachs und möglicherweise den Solequellen in Bad Westernkotten. Die BG –Fraktion teilt die Bewertung der vorliegenden Gutachten durch den BUND (Pressemitteilung -Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland)

 

Es wird eine Abgrabungstiefe von ca. 32,50 m unter dem jetzigen Niveau angestrebt. Das entspricht etwa der Endtiefe der bereits vorhandenen Steinbrüche I und II weiter westlich. Durch die Abgrabung sollen 9,7 Mio. Tonnen Kalkstein gewonnen werden, die den Rohstoffbedarf des Werkes für zusätzliche 9 Jahre sichern.

Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch zwischen den vorhandenen Steinbrüchen und der geplanten Abgrabung. Diese liegt nämlich mitten im Wasserschutzgebiet für die Eikeloher Wassergewinnungsanlagen, eines von insgesamt 4 Wassergewinnungsgebieten, mit dem die Stadtwerke Lippstadt insgesamt über 71.000 Verbraucher mit Trinkwasser versorgen.

Seit der Novellierung des NRW Wassergesetzes im Jahr 2016 sind nach § 35(2) Abgrabungen in Wasserschutzgebieten gänzlich verboten. Nur eine Übergangsregelung ermöglicht den Erwitter Zementwerken noch Abgrabungen in diesem Bereich.

Die Festlegung der Abbautiefe erfolgte wegen der besonderen Grundwasserverhältnisse Gestein durch einen Hydrogeologen (Wassergeologen). Der Gutachter hat dabei wegen der stark schwankenden Grundwasserverhältnisse im klüftigen Untergrund nicht etwa den höchsten Grundwasserstand als maximale Abgrabungstiefe angesetzt, sondern einen über 8 bis 10 Jahre ermittelten statistischen Wert, das sogenannte 80% Perzentil. Das ist die Tiefe, bei der über ein langjähriges Mittel gerechnet 80 % der Grundwasserstände nicht überschritten werden. Auf diesen Wert sollen dann noch 1,5 m Sicherheitsabstand aufgerechnet werden. Damit habe man sichergestellt, das Grundwasser nicht beeinträchtigt wird. Die Antragssteller sprechen von einem Trockenabbau.

Die BG –Fraktion und der  BUND sehen das anders.

20 % der gemessenen Grundwasserstände liegen über dem 80 % Perzentil. Das sind also im statistischen Mittel 73 Tage mit teilweise um bis zu 20 m höheren Grundwasserständen in Gestein. Die Folge ist, das in niederschlagsreichen Zeiten eine erhebliche Menge Grundwasser bei derart tiefen Steinbrüchen über die Steinbruchsohle austritt und sich an den tiefsten Stellen sammelt. In der Theorie verschwinden diese Seen, die zeitweilig einen Großteil der Steinbruchsohle bedecken, in den nachfolgenden Trockenzeiten durch Versickerung und Verdunstung wieder. In der Praxis, sehr eindrucksvoll auf Luftbildern zu sehen, sieht dies jedoch anders aus. Durch eine Selbstabdichtung der Sohle haben sich in allen, auf das 80 % Perzentil abgebauten Steinbrüchen in Erwitte große und dauerhafte Gewässer gebildet, die durch eine wasserhaltende Schicht aus Mergel und feinem Steinabrieb gebildet wird. Dies hat eine Untersuchung im Rahmen einer Bachelor- Arbeit im Steinbruch Milke in Geseke im letzten Jahr ergeben. Zusätzliche Wassermengen durch Niederschläge füllen die Steinbruchseen ebenfalls immer wieder auf.

Diese Einschätzung teilte die Fa. Wittekind bei ihrem letzten Antrag aus dem Jahr 2006 offensichtlich, denn damals wurde für die Vertiefung des Steinbruchs I und II bei ähnlichen Verhältnissen noch wegen der Anlage eines Gewässers ein Antrag nach Wasserrecht gestellt.

Nun wird von Trockenabbau ohne Entstehung von Gewässern gesprochen. Für den BUND wird hier die Absicht deutlich, für den innerhalb des Wasserschutzgebietes Eikeloh gelegenen Steinbruch eine maximale Rohstoffausbeute zu erreichen. Dabei will man auch die von der Zementindustrie früher gesetzte Qualitätsgrenze (hoher Kalkgehalt) des Gesteins um 15-20 m deutlich unterschreiten und den

minderwertigen Stein aus der Tiefe mit hochwertigerem Material strecken. Ein Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz ist einfacher als ein aufwendiges wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren.

Genau dies fordert der BUND. Nur mit dem für solche Sachlagen gesetzlich vorgesehen Verfahren nach Wasserrecht ist der Schutz des Trinkwassers für die Brunnen in Eikeloh zu sichern. Gegen den Kreis Soest wurde daher wegen der Übergehung des Wasserrechts vom BUND eine Fachaufsichtsbeschwerde bei der Bezirksregierung eingeleitet. Statt einer Einzelbetrachtung nach Immissionsrecht ist eine umfassende Risikoanalyse bezüglich der Grundwasserneubildung, der Veränderung der Fließwege, der Möglichkeit einer Verschmutzung oder der Auswirkungen durch dauerhafte Wasserflächen zu erbringen.

Auch das bisher im Erwitter Stadtrat stets vorgebrachte Argument der Sicherung von Arbeitsplätzen zieht nach Ansicht der Umweltschützer nicht wirklich, denn der Verzicht auf eine Vertiefung von 5 m bedeutet für das Werk eine Einbuße von 14 Monaten in der Rohstoffversorgung. Wenn man die Laufzeit berücksichtigt, ist das eine Größenordnung, bei der man sicherlich nicht von existenzieller Bedrohung sprechen kann.